Ich bin vor kurzem zum Islam konvertiert, aus Überzeugung. Ich bedecke mich jetzt seit circa zwei Jahren, und was mir deshalb in letzter Zeit passiert ist, ist unglaublich. Ich habe innerhalb von fünf Monaten meinen Arbeitsplatz verloren. Ich habe in einer Wurstfabrik gearbeitet, wo fast nur Muslime arbeiten, aber ich war die einzige deutsche Muslima. Als Grund für meine Entlassung gab man an, ich sei zu oft krank gewesen. Es mag sein, dass ich öfter krank war, aber ich wurde gemobbt. Die anderen Deutschen betrachteten mich als Verräterin. In der Pause beim Essen bekam ich keinen Platz mehr, und sogar auf der Toilette hat man mich unfreundlich angesprochen: „Nehmt euch vor der in Acht, sonst werdet ihr auch Moslems“, haben die Deutschen hinter meinem Rücken gesagt. Offen – wie einen Menschen – bin ich aber darauf nicht angesprochen worden. Ich habe den ganzen Frust in mich hinein gefressen, und das hat mich krank gemacht. Ich habe Herzprobleme mit Atemnot bekommen und dachte, ich müsste sterben.
Auch meine Familie behandelt mich wie eine Aussätzige. Ich bin mit einem Türken verheiratet – wie schrecklich! Und jetzt trage ich auch noch ein Kopftuch – wie kann ich nur als deutsche Frau! Ich hätte keinen „Nationalstolz“,sei eine „Türkenhure“ und störe jede Party, sagen sie. Ich schäme mich für meine Familie, für ihre Doppelmoral, sie tun mir alle nur leid! Ich war schon immer anders als meine Geschwister, deshalb wurde ich auch viel geschlagen und gedemütigt, mit Worten die ich hier nicht wiedergeben möchte.
Mein ganzes Leben suche ich nach Liebe und Wärme, nach etwas Geborgenheit, etwas Respekt. Ich frage mich, nach dem Sinn meines Lebens, und warum ich in diese Welt geboren wurde, wenn mich niemand will. Meine Familie will, dass ich mich anpasse, aber ich bleibe stur. Letzte Woche hat meine Mutter geheiratet. Ich weiß nicht, was ich für sie empfinden soll. Ich bin so voller Hass und Zorn. Ich bin so wütend, ich möchte schreien. Ich fühle mich so allein, so unverstanden.
Unsere Religion sagt, wir sollen vergeben und nachsichtig sein, aber dieser Schmerz in meiner Seele will das nicht zulassen. Ich will diesen Schmerz und diese Wut endlich loswerden – es verfolgt mich schon mein ganzes Leben. Ich habe Angst vor mir selbst, dass ich das alles eines Tages rauslasse. Ich bitte Allah um Kraft, Geduld und Schutz. Manchmal denke ich, Allah liebe mich auch nicht, er habe mich vergessen, oder er würde mich nicht mehr hören. Warum ich? Diese Frage stelle ich mir jeden Tag.
Mein Mann, mit dem ich bald zehn Jahre zusammen bin, ist der erste Mensch der je gut zu mir war, der mich gut behandelt und mir sehr viel Liebe und Verständnis entgegenbringt. Er hat mich noch nie geschlagen, oder auch nur ein schlechtes Wort zu mir gesagt. Und dieser Mann soll schlecht für mich sein? Auf der Hochzeit meiner Mutter hat man mich wieder so gedemütigt. Ich weiß nicht wie das je verkraften soll. Meine Mutter sagte, dass ich auch ihre Tochter sei und es auch immer bleiben werde. Von der Familie meines Stiefvaters hat sich fast niemand getraut, mit uns zu sprechen. Mir wurde verboten über Religion zu sprechen – also sprach ich gar nicht, nur das nötigste Höflichkeitsgefasel. Und meine Geschwister hatten nur damit zu tun, mich zu kränken. Aber ich muss ruhiger werden. „Hallo, mein Mann und ich werden behandelt wie Aussätzige, aber ich soll nicht alles so ernst nehmen!“
Aber die guten Deutschen wollen das ja alles nicht. Wir sind die Bösen. Was kann ich tun? Wie soll ich weitermachen? Ist es besser, alles zu vergessen, oder soll ich endlich auf den Tisch hauen und meine ganze Wut rauslassen – meinem Hass freien Lauf lassen? Oder soll ich den Kontakt zu meiner Familie – den guten Deutschen – für immer abbrechen, auf das ich so meinen inneren Frieden finden kann?
VON: ERIKA (ELIF)